Beschluss: Abstimmungsergebnis:

Abstimmung: Ja: 8, Nein: 1

Sachverhalt:

Das geplante Bauvorhaben liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Südlicher Ortsrand“. Die Antragsteller beabsichtigten die Erweiterung des Wohnhauses und die Umnutzung eines Nebengebäudes in ein Wohngebäude.

 

Grundflächenzahl

 

Die Grundflächenzahl (GRZ) gibt an, wieviel Quadratmeter Grundfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche zulässig sind. Die zulässige Grundfläche ist der Anteil des Baugrundstücks, der von baulichen Anlagen überdeckt werden darf. Die GRZ im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Südlicher Ortsrand" ergibt sich aus § 17 BauNVO in der Fassung vom 01.08.1962 bis 31.12.1963, da diese im Bebauungsplan selbst nicht angegeben wurde. Aus diesem Grund gilt die damalige Höchstgrenze für Mischgebiete (MI) mit 0,4. Nach § 19 BauNVO in der Fassung vom 01.08.1962 bis 31.12.1963 werden die Grundflächen von Nebenanlagen nicht angerechnet.

 

Heutige Berechnung (in diesem Fall nicht anwendbar):

In der aktuellen Fassung dient § 17 BauNVO lediglich zur Entnahme von Orientierungswerten. Der aktuelle Orientierungswert nach § 17 BauNVO liegt bei 0,6. Es werden alle Grundflächen mit einberechnet. Die GRZ darf jedoch durch die Grundflächen von Garagen und Stellplätzen, Nebenanlagen und sonstigen baulichen Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche um bis zu 50 % überschritten werden; höchstens jedoch bis zu einer GRZ von 0,8.

 

Für dieses Bauvorhaben beträgt die GRZ 0,89 und wird demnach überschritten. Hierfür wurde eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans beantragt. Der Entwurfsverfasser gibt in der Begründung an, dass die GRZ bereits durch die aktuelle Bebauung überschritten wurde. Ebenfalls gibt er an, dass durch das Bauvorhaben „sinnvoll und wirtschaftlich dringend erforderlicher Wohnraum geschaffen wird“. Die Gemeindeverwaltung betrachtet den hohen Versiegelungsgrad als kritisch.

 

Anzahl der Vollgeschosse

 

Im Bebauungsplan „Südlicher Ortsrand“ ist die max. Anzahl der Vollgeschosse geregelt. Für das Baugrundstück ist „E+1“ festgesetzt. Das bedeutet, dass pro Wohnhaus ein Erdgeschoss sowie ein weiteres Vollgeschoss errichtet werden müssen. Als Vollgeschosse gelten die Geschosse, die vollständig über der natürlichen oder festgelegten Geländeoberfläche liegen und über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,30 m haben. Kellergeschosse sind nur dann Vollgeschosse, wenn deren Deckenunterkante im Mittel mindestens 1,20 m höher liegt als die natürliche oder festgelegte Geländeoberfläche.

 

Erweiterung Wohnhaus (Torhaus)

Das geplante Bauvorhaben soll viergeschossig (KG, EG, OG, DG) errichtet werden. Der bestehende Gewölbekeller sowie der Spitzboden sind laut Planunterlagen jeweils keine Vollgeschosse.

 

Umnutzung Nebengebäude in Wohngebäude

Das geplante Bauvorhaben soll viergeschossig (KG, EG, DG, Spitzboden) errichtet werden. Der bestehende Gewölbekeller sowie der Spitzboden sind laut Planunterlagen jeweils keine Vollgeschosse. Die Anzahl der Vollgeschosse ist somit eingehalten.

 

Geschossflächenzahl

 

Die Geschossflächenzahl gibt an, wie viele Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche zulässig sind. Die Geschossflächenzahl (GFZ) ist im Bebauungsplan „Südlicher Ortsrand“ nicht angegeben und ergibt sich damit aus § 17 BauNVO in der Fassung vom 01.08.1962 bis 31.12.1963. Hierin ist die Höchstgrenze mit 0,7 festgesetzt.

Zum damaligen Zeitpunkt wurden alle Geschossflächen, unabhängig davon ob die Geschosse als Vollgeschoss galten oder nicht, mit in die GFZ einberechnet.

 

Heutige Berechnung (in diesem Fall nicht anwendbar):

Der aktuelle Orientierungswert nach § 17 BauNVO liegt bei 1,2. Es werden lediglich die Geschossflächen der Geschosse einberechnet, welche als Vollgeschoss gelten.

 

Da die damalige Regelung als Berechnungsgrundlage gilt wurden alle Geschossflächen mit in die GFZ einberechnet. Es entsteht dadurch eine GFZ von 1,48. Hierfür wurde eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans beantragt. Der Entwurfsverfasser gibt in der Begründung an, dass die GFZ bereits durch die aktuelle Bebauung überschritten wurde. Ebenfalls gibt er an, dass durch das Bauvorhaben „sinnvoll und wirtschaftlich dringend erforderlicher Wohnraum geschaffen wird“.

 

Überbaubare Grundstücksfläche

 

Baugrenzen dürfen von Gebäuden und Gebäudeteilen grundsätzlich nicht überschritten werden. Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden.

 

Die vorhandenen Baugrenzen wurden eingehalten. Die vorhandene Baulinie soll durch das Torhaus um ca. 23,25 m² (laut Planangabe ca. 7,75 m auf 3,00 m) überschritten werden.

 

Hierfür wurde eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans beantragt. Der Antrag wurde damit begründet, dass das bestehende Torhaus zum Waldweg bereits 3,00 m über der festgelegten Baulinie heraussteht. Dieses Torhaus wird nun erweitert und in den oberen Geschossen einer Wohnnutzung zugeordnet. Die Gemeindeverwaltung sieht keine Probleme in der Erteilung dieser Befreiung.

 

Abstandsflächen

 

Vor den Außenwänden von Gebäuden sind Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich nach der Wandhöhe; sie wird senkrecht zur Wand gemessen. Die Höhe von Dächern mit einer Neigung von bis einschließlich 70 Grad wird zu einem Drittel der Wandhöhe, von Dächern mit einer Neigung von mehr als 70 Grad voll der Wandhöhe hinzugerechnet. Dies ergibt das Maß „H“. Die Tiefe der auf dem Grundstück selbst liegen.

 

Eine Ausnahme hiervon ist in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO festgelegt. Demnach dürfen Abstandsflächen auch auf öffentlichem Verkehrsflächen liegen, jedoch nur bis zu deren Mitte.

In Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO ist geregelt, dass sich Abstandsflächen ganz oder teilweise auf anderen Grundstücken erstrecken dürfen, wenn der benachbarte Grundstückseigentümer gegenüber der Bauaufsichtsbehörde schriftlich zustimmt (sog. Abstandsflächenübernahme). Diese Zustimmung gilt auch für und gegen seine Rechtsnachfolger.

Die südliche Abstandsfläche der geplanten Torhauserweiterung liegt nicht auf dem Grundstück selbst sondern auf dem angrenzenden Grundstück (Waldweg 3, Fl.Nr. 11300/1). Hierfür liegt eine Abstandsflächenübernahme vor.

 

Dachneigung

 

Die Dachneigung darf laut Bebauungsplan zwischen 25° und 35° betragen. Das Bauvorhaben ist mit einer Dachneigung von 45° geplant (sowohl die Torhauserweiterung als auch das ehemalige Nebengebäude, welches zum Wohngebäude umgewandelt werden soll).

Hierfür wurde eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans beantragt. Der Antrag wurde damit begründet, dass die bestehenden Dachneigungen derzeit bereits 45° betragen und die Dachneigungen damit lediglich beibehalten werden. Zwar besteht, aufgrund der Änderungen der jeweiligen Dächer, kein Bestandsschutz, dennoch sieht die Gemeindeverwaltung keine Probleme in der Erteilung dieser Befreiung

 

Gauben

 

Im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Südlicher Ortsrand“ sind stehende Einzelgauben ab einer Dachneigung von 30° zulässig. Die maximale Breite der einzelnen Gaube darf 2,50 m nicht überschreiten. Die Gaubenlänge darf insgesamt höchstens 1/3 der Dachlänge betragen. Diese Festsetzungen werden eingehalten.

 

Stellplätze

 

Auf dem Grundstück werden insgesamt 6 Stellplätze errichtet.

 

Notwendig sind laut der Satzung über die Herstellung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge je Wohnung mit einer Fläche von über 50 m² 2 Stellplätze (§ 3 Nr. 1 Buchstabe a) und damit insgesamt 6 Stellplätze. § 3 Nr. 1 Buchstabe a der Satzung über die Herstellung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge der Gemeinde Niedernberg ist damit eingehalten.

 

 

Die Berechnung der Anzahl der Stellplätze ergibt sich wie folgt:

-       Die Erweiterung des Torhauses bringt keine Erhöhung der benötigten Stellplätze mit sich. Grund ist, dass durch die Erweiterung zwar weitere Wohnräume entstehenden, diese jedoch zur bereits vorhandenen Wohneinheit des „Hauptgebäudes“ (Wohnhaus, welches direkt an den Waldweg angrenzt) dazu gerechnet werden. Hierdurch entsteht somit keine zusätzliche Wohneinheit. Für die Errichtung des „Hauptgebäudes“ wurden damals keine Stellplätze verlangt; dies hat Bestandsschutz. Durch die Erweiterung der bestehenden Wohneinheit entsteht kein zusätzlicher Stellplatzbedarf (die ursprüngliche Wohneinheit ist bereits > 50 m²).

-       Durch die geplante Umnutzung des Nebengebäudes entstehen zwei Wohneinheiten > 50 m². Hierfür sind insgesamt 4 Stellplätze notwendig.

-       Auf dem Baugrundstück besteht noch ein weiteres Bauvorhaben, welches noch nicht umgesetzt wurde. Es handelt sich um den Umbau des Nebengebäudes, welches an der südlichen Grundstücksgrenze liegt. Das Nebengebäude soll in ein Wohngebäude umgewandelt werden. Die Baugenehmigung hierfür wurde am 11.11.2021 vom Landratsamt Miltenberg ausgestellt (Aktenzeichen aus dem Baubuch der Gemeinde Niedernberg: G/32/2021). Laut des Baugenehmigungsbescheides müssen für das Bauvorhaben 2 Stellplätze errichtet werden. Diese werden laut den Bauantragsunterlagen auf dem Baugrundstück hergestellt. Nach Rücksprache mit dem Entwurfsverfasser soll diese Baugenehmigung aufrechterhalten und demnach auch in Zukunft noch umgesetzt werden.

 

5 der 6 Stellplätze sollen im Innenhof errichtet werden. Der sechste Stellplatz soll im ehemaligen Nebengebäude, angrenzend an die Großwallstädter Straße, errichtet werden. Die Zufahrt dieses Stellplatzes würde über die Großwallstädter Straße erfolgen. Der Antragsteller benötigt hierfür, zusätzlich zu den o. g. Befreiungen, die Genehmigung einer Abweichung von der Garagen- und Stellplatzverordnung (GaStellV). Es soll § 2 GaStellV (Zu- und Abfahrten 3,00 m; Stauraum 3,00 m) nicht eingehalten werden. Über diese Abweichungen entscheidet die untere Bauaufsichtsbehörde.

 

Kinderspielplatz

 

Gemäß Art. 7 Abs. 3 Satz 1 BayBO ist bei der Errichtung von Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen ein ausreichend großer Kinderspielplatz anzulegen. Dieser wird auf dem Baugrundstück nachgewiesen.

 

Nachbarbeteiligung

Die benachbarten Grundstückseigentümer haben dem Bauvorhaben zugestimmt.


Beschluss:

Der Bau- und Umweltausschuss der Gemeinde Niedernberg erteilt zum o. g. Bauvorhaben und den damit verbundenen Anträgen auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans bzgl.

 

-       Grundflächenzahl (GRZ)

-       Geschossflächenzahl (GFZ)

-       Dachneigung

-       Überbaubare Grundstücksfläche, Baulinie

 

das gemeindliche Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 BauGB, insofern die benötigten Stellplätze für die bestehende Baugenehmigung (Aktenzeichen 51-602-B525-2021-2 v. 11.11.2021) sowie das o.g. Bauvorhaben (insgesamt 6 Stellplätze) nachgewiesen und vom Landratsamt Miltenberg anerkannt werden.